Die Macht der Bewegung

Der Einfluss von Klimastreik auf die Gesellschaft

Wir betreten den grossen Klimaraum und sind überrascht: beladene Tische, eine Fensterbank mit Aussicht über Bern, Flaggen an den Wänden und dutzende Flyer zu verschiedenen Demos an einer Magnetwand.

Unsere Interviewpartnerin Tina sitzt am Boden und schreibt gerade ein Transparent. Die Szene vermittelt einen unordentlichen, aber sympathischen ersten Eindruck. Sie entschuldigt sich für die Unordnung und wir beginnen mit dem Interview.

«Der Klimastreik Bern ist sehr chaotisch organisiert». Es gebe sehr viele Lokalgruppen und Einzelpersonen, die an vielen verschiedenen Projekten arbeiten: Leute, die Transparente aufhängen oder sich damit abseilen wollen, Streiks oder Demonstrationen vorbereiten oder die beispielsweise an der internen Kommunikation, der Struktur innerhalb der Bewegung oder dem Image nach aussen arbeiten. 

Der Arbeitsaufwand in einer Bewegung wie Klimastreik ist nicht zu unterschätzen. Das, was die Öffentlichkeit mitbekommt, ist nur die Spitze des Eisbergs. Schon allein die Planung einer einzigen Demo benötigt viel Planungsaufwand, Kontakt mit dem Ordnungsamt für die Bewilligung, Werbung damit überhaupt Leute kommen und noch mehr. Doch es werden nicht nur Demonstrationen organisiert.  Es werden Forderungen und Strategien ausgearbeitet, auf der Strasse Leute informiert, es wird an kreativen Projekten gearbeitet und es wurde sogar ein Konzept ausgearbeitet, wie dass mit Übergriffen oder Rassismus in der Bewegung umgegangen wird.  Dazu kommen regelmässige Sitzungen und Bildungsanlässe, die mit viel Arbeitsaufwand vorbereitet werden müssen. «Es gab Wochen, in denen ich über 20 Stunden nur für Klimastreik gearbeitet habe.»

Tina erzählt uns auch von dem ,,Aktionskodex’’, der bei jeder Art von Aktivitäten an oberster Stelle steht. Konkret; Keine Gewalt. Unter keinen Umständen. Der Klimastreik ist eine friedliche und gewaltlose Bewegung wo Aggression und ähnliches kein Platz hat.

Klimastreik Bild
Klimastreik Bild

Mitte 2018 hat der Klimaaktivismus unter dem Namen ,,Fridays for Future’’ begonnen.  Greta Thunberg hat in Schweden damit angefangen, eine Bewegung ins Leben zu rufen, die mittlerweile riesige Ausmasse angenommen hat. Im Sommer 2019 nahmen in Bern nach Aussage von Klimastreik Schweiz 100'000 Menschen an einem globalen Streik teil. Mittlerweile ist der Trend wieder abgeflacht. Doch wie ist es möglich, dass eine Schülerin Millionen von Menschen auf der ganzen Welt aktivieren kann, damit sie sich weltweit fürs Klima einsetzen?

Die Antwort ist recht banal. Die Menschen können sich mit den Ideologien von Greta Thunberg identifizieren, sie sehen, dass das Klima alle betrifft. Dieses Grundprinzip ist bei allen sozialen Bewegungen gleich. Eine Dynamik entsteht, Menschen gehen auf die Strasse, machen auf sich aufmerksam und erreichen durch die Medien die ganze Welt und somit mehr Menschen, die die gleichen Überzeugungen haben. Für kurze Zeit ist es ein selbstverstärkender Kreislauf, da immer mehr Menschen informiert werden und sich anschliessen wollen. 

 

Die Gefahren hinter einer gewaltbereiten Bewegung

«Nach den letzten 3 Jahren halte ich alles wieder für möglich. Eine nationalistische Bewegung wie sie zur Zeit des zweiten Weltkriegs mit der Hitlerjugend entstand, scheint mir zurzeit deutlich weniger unwahrscheinlich als noch vor einiger Zeit», erzählt uns der Soziologe Axel Franzel.

Als wir vorbereitet das geräumige Büro in der Uni Tobler betraten, wussten wir noch nicht, was uns erwartet. Aber schnell wird klar: Dieses Thema verdient Aufmerksamkeit. Denn in sozialen Bewegungen könne oftmals auch Gefahren stecken. Doch um diese Gefahren zu erkennen und bewusst verhindern zu können, müssen wir analysieren, wie solche gefährlichen sozialen Strukturen und Dynamiken funktionieren.

Axel Franzen meint, eine solche Dynamik entstehe nicht aus dem Nichts, eine Bewegung wie der Nationalismus in Deutschland sei oft sehr vereinfacht dargestellt, denn hier seien zu Beginn nicht alle Bürger dieser nationalistischen Bewegung gegenüber offen gewesen. Es gab unteranderem die Widerstandsgruppe, welche die Rote Kapelle genannt wurde. Die Gruppe setzte sich aus Anhängern von jeder Gesellschaftsschicht zusammen und sprach sich gegen das Naziregime aus. Doch dies sollte sie teuer zu stehen kommen, denn rund ein Drittel der Anhänger bezahlten dafür mit ihrem Leben. Es wurde auf keine Befindlichkeiten acht genommen und unter denen vom Gericht zu Tode verurteilten, befanden sich auch junge Eltern. Eine Bewegung hat oftmals einen Kopf, der ein Ziel verfolgt, dieses Ziel kann Macht, Berühmtheit und auch Einfluss sein. Diese Personen leiten eine Bewegung oftmals zu ihren Gunsten in eine bestimmte Richtung und versuchen Einfluss und Aufsehen zu gewinnen. Doch nun stellt sich die Frage, wie eine Bewegung, die derart radikal ist wie die Nazi-Bewegung zur Zeit des zweiten Weltkrieges einfach geduldet wurde. Wenn wir die Bewegung analysieren, kommen wir zum Schluss, dass Gewalt und Einschüchterung wohl die einflussreichsten Wege zur Gewinnung von Anhängern und Macht sind und dass genau das in Deutschland der Fall war. Es war vor allem Angst, welche damals durch Gewalt erzeugt und verbreitet wurde welche die radikale Bewegung so erfolgreich gemacht hat. Die Nazis haben damals die aufkommenden Gegenbewegungen mit Gewalt zerschlagen und sich so den Weg an die Spitze gebahnt und dann ihr Feindbild, die reichen Juden, auf grausamste Weise gejagt.

Es ist sehr gefährlich, wenn eine Bewegung ein Feindbild hat und zu Gewalt bereit ist.  Axel Franzel erzählt uns: «Die Gefahr liegt darin, dass eine solche Bewegung kaum mehr gestoppt werden kann, da sich die Betroffenen nicht mehr richtig verteidigen können und die Anhänger unter dem Druck stehen selbst zum Opfer zu fallen, wenn sie die Gruppe verlassen, um sich gegen sie auszusprechen und zu widersetzen.»

Wenn man jetzt die Bewegung Klimastreik mit der Bewegung des Nationalismus vergleicht, sieht man zum Glück keine Analogien. Gewaltbereitschaft, Rassismus und ein Hierarchiesystem werden bei der Klimabewegung nicht geduldet und sind somit auch kein Thema. Es ist auch ein etwas extremes Beispiel, doch man hat gesehen, dass wenn genug Menschen sich angesprochen fühlen oder überzeugt werden, es in den Händen der Schlüsselfiguren liegt, was passiert.

Tina als Mitglied der Bewegung

Tina ist eine junge Frau die eigentlich ein sorgloses Leben führen sollte, doch etwas bewegt sie, wie auch viele andere zu Unruhe und stundenlanger Freiwilligenarbeit. Es ist die Angst um die Zukunft, die Frage was mit uns und den nachfolgenden Generationen geschehen wird, wenn wir unserer Umwelt und unserer Ressourcen derart strapazieren. Diese Dinge treiben Tina an, ihre Freizeit in die Bewegung Klimastreik zu stecken. Doch nicht alle haben diesen gleichen Willen unserer Erde zu schützten und deshalb fühlen sich Personen wie Tina dazu verpflichtet sich dem zu widersetzten. Sie erzählt uns von Ihrer täglichen Arbeit, ihren Zielen und was sie antreibt. Tina berichtet, wie sich damals der Peak der Dynamik entwickelt hat: «Plötzlich begann dieser Aufschwung, es kamen fast bis zu 100'000 Leute auf die Strasse, die Bewegung war stark. Doch schnell wird klar, die Politik und die grossen Konzerne sind auch mit solch riesigen Demonstrationen nicht zu beeinflussen, und nach jedem Hoch folgt dann auch ein Tief. Der Hype ist abgeflacht und die Teilnehmerzahlen schwanden, es änderte sich einfach zu wenig, für den unglaublichen Aufwand, welcher betrieben wurde.» Deswegen sei Sie heute selbst nicht mehr ein Fan davon. Doch anstatt der abgeflachten Dynamik nachzutrauern, ist sie fest entschlossen weiterzukämpfen, und meint: «Ich will jemand sein der sagen kann, sie habe gekämpft und es versucht, um am Ende des Lebens sich nicht über die verpasste Chance zu ärgern.» Eins steht fest, Tina ist fest entschlossen, immer neue Wege zu suchen, um unseren Planeten zu retten und für eine faire Zukunft für alle zu sorgen. Auch wenn Sie weiss, dass der Weg zur Besserung noch weit entfernt ist.

Quellen:

 Sachbuch: Kern, Thomas, Soziale Bewegungen, Wiesbaden, 1.Auflage 2008

Bild Klimastreik: https://www.klimastreikzh.ch/

Interviewpartner:

Tina, Vertreterin Klimastreik

Axel Franzen, Soziologe an der Universität Bern